By Expedia Team, on April 18, 2017

Segelfliegen in den Alpen: Die Berge von oben

“Alles ist anders. Segelfliegen ist komplett anderes als das Fliegen im “normalen Flugzeug”. Nicht nur mein Sitz ist enger, alles ist ganz nah. Die Armatur ist direkt vor mir mit ihren leuchtenden Displays, steigenden Zahlen und vielen Knöpfen. Könnte ich das Flugzeug fliegen, könnte ich das auch von diesem Platz aus tun. Die Plexiglaskuppel über mir gibt den Blick frei auf den Himmel und ich sehe rechts und links hinab auf die Berge. “Nicht vergessen zu atmen!” mahnt mich der Pilot im Sitz hinter mir und ich hole tief Luft. Es dauert ein paar Minuten, bis ich mich an dieses neue Gefühl gewöhnt habe.

Das Gefühl, wie ein Adler durch die Luft fliegen, ohne dabei einen Motor zu brauchen. Einzig und alleine dank Luftströmungen und Wind sich fortzubewegen. Immer weiter nach oben und über die Bergspitzen. Segelfliegen in den Alpen ist ein Sport für mutige Menschen. Mit drin sitzen, mitfliegen und mit der Zeit die Flugangst verlieren kann allerdings fast jeder.

Segelflieger über Innsbruck

Der Traum vom Fliegen

Als kleines Kind hatte ich einmal einen großen schwarzen Sack, der als Gimmick im YPS-Magazin dabei war. Wenn man ihn mit Luft füllte und in die Sonne legte, sollte er steigen. Ein Solar-Zeppelin quasi. Ich habe immer drauf gehofft, dass er mich, mit ein bisschen Glück, vielleicht auch mit in die Luft nehmen würde. Zumindest ein paar Meter hoch. Als das nicht klappte, überlegte ich mir einen Paragleiterschirm aus Müllsäcken selbst zu nähen. Gottseidank, ist es bei der Idee geblieben. Und nach dem Film “Amy und die Wildgänse” wollte ich sowieso lieber ein echtes, kleines Flugzeug besitzen. Lange Zeit ist es ein Traum vom Fliegen geblieben, erst viel später hab ich dann die Gelegenheit bekommen bei meinem Freund, einem Segelflug-Piloten und Lehrer, mitzufliegen.

Die Grundausbildung zum Segelflieger kann man in zwei Wochen Intensivkurs absolvieren. Wer dann die Theorieprüfung besteht und die Praxisübungen richtig vorführt, bekommt den Pilotenschein. Teuer ist, entgegen der Meinung Vieler, der Sport im Verein nicht und kann mit den Preisen eines Fitnesscenters mithalten. Nur Zeit, muss man doch um einiges mehr investieren. Denn Segelfliegen ist ein Team-Sport, alleine kommt man kaum in die Luft. Im Verein werden die Aufgaben dann verteilt, Wartung, Seilwinde, am Boden den Funk übernehmen, usw.

Segelfliegen in den AlpenFür Mitflieger, die es erst einmal ausprobieren wollen, gibt es an einigen Flugplätzen in Europa die Möglichkeit solche Flüge zu organisieren. In Innsbruck bietetMountain Soaring kommerziell Flüge für Piloten, die sich verbessern wollen und Laien, die einfach mal mitfliegen wollen an.

“Glück ab, gut Land” sagen die Flieger, wenn sie sich Glück wünschen. Viel braucht man eigentlich nicht um Mitzufliegen. Einen vertrauenswürdigen Piloten, ein gewartetes Doppelsitzer Flugzeug und das geeignete Wetter. Für einige übertriebener Firlefanz, für mich praktische Tipps: Taschentücher, Kaugummi, frisches Wasser, Kamera mit vollem Akku und SD-Karte, eine bequeme Hose und für alle Frauen: ein BH, der hinten nicht drückt. Denn im Flieger sitzt jeder mit Fallschirm und dann nochmal festgezurrt im Sitz. Da bleibt in der kleinen Kabine kaum ein Bewegungsspielraum. Wenn einem doch mal schlecht werden sollte, was bei kurzen Flügen weniger passiert, ist eine Plastiktüte ratsam. Aufs Klo können wir Frauen im Flieger auch nur schwer gehen, Männer haben es da einfacher und pinkeln auf stundenlangen Flügen einfach auch in eine Tüte. Um nochmals auf den Fallschirm zurückzukommen: ja, den hat man, aber nur als absolute Not-Option. So einen Sprung aus einem Segelflieger möchte wirklich niemand jemals machen.

Drei Wege nach oben

Es gibt drei Möglichkeiten mit einem Segelflieger in die Luft zu kommen. Entweder man startet an einer Seilwinde und wird in die Luft gezogen. Oben klinkt der Pilot den Flieger aus und das Seil fliegt mit einem Mini-Fallschirm wieder auf den Boden zurück. Oder aber, man wird mit Hilfe eines Schlepp-Flugzeugs in die Luft gezogen. Am gewünschten Ort klinkt man sich ebenfalls wieder aus. Die dritte Option steht nur Segelflugzeugen mit Motor zum Eigenstart zur Verfügung: ein Start mit einem kleinen Motor. Am kleinen Flughafen in Innsbruck zB direkt auf der Landebahn, auf der auch der reguläre Flugverkehr stattfindet.

Bei meinem ersten Flug sehen wir eine große Maschine, wie sie gerade in Richtung Gate ausrollt und schon haben wir die Startbahn für uns. Ein paar Funksprüche später und wir heben ab. Zuerst sind es nur ein paar Meter Luft unter uns, dann immer mehr. Der Motor brummt laut und der Propeller dreht sich eifrig. Wir steigen immer höher und fliegen genau auf die Felswand zu. Kein Zufall, denn dort wo die Sonne vom Fels reflektiert wird entsteht Thermik – warme, aufsteigende Luft, die auch uns nach oben bringt beim Kreisen. Genau so, wie es auch Adler machen. Diese Flug-Kumpels sieht man beim Fliegen in den Alpen immer wieder und ich fühle mich privilegiert, für eine kurze Zeit die Welt wie ein Vogel zu sehen.

Segelfliegen in den AlpenEs ist erstaunlich wie viele Lücken über Täler, Schluchten und Bergspitzen es in meinem Gedächtnis zu füllen gibt. Immer entdecke ich etwas Neues und es ist so, als würde ich eine leere Landkarte anmalen. Von Innsbruck aus geht es zB in einer kleiner Runde (1:45h sind wir unterwegs an einem besonders guten Frühlingstag) einmal zur Zugspitze und über den Walchensee und den Attersee wieder zurück ins Inntal. Eine andere Runde führt von Innsbruck nach St Moritz im Engadin, und wieder zurück. Oder aber man besucht die Südtiroler Berge von oben. Wer würde nicht gerne einmal die Drei Zinnen von oben sehen?

Und dann gibt es noch ein weiteres Level: den Wandersegelflug, bei dem man mit einem eigenen Flieger von A nach B und C (beliebig verlängerbar) fliegt. Dabei kommt man in den Alpen richtig weit, zB von Innsbruck nach Kärnten und weiter nach Kroatien. Mit kaum Gepäck, kein Bordservice, aber viel Abenteuercharakter und Reiselust. Das allerdings, ist eine andere Geschichte…

Alle Fotos: Mountain Soaring/Simon Rainer